Ich distanziere mich.
- Von Diskriminierung in jeglicher Form.
- Von veralteten Shopping-Konzepten.
- Vom Nackt-Tanzen.
- Von Menschen, die sich immer auf das Negative fokussieren.
- Und aktuell leider auch ein wenig von Teilen meiner geliebten Curvy-Community…
Das Social Distancing lässt uns alle gerade auch viel mehr Zeit auf Social Media verbringen. Zu viel? Für mich ist es Fluch und Segen zugleich. Ich würde sogar so weit gehen und mich neuerdings inoffiziell für TikTok-süchtig erklären. In letzter Zeit ließen mich beim Fröhnen meiner Sucht aber die einen oder anderen Diskussionen, Posts und Kommentare zu sicherlich wichtigen und gut gemeinten Body Positivity Kampagnen in den sozialen Medien ordentlich ins Grübeln geraten. Ich habe diese Themen mal in einem Blog-Post zusammengefasst.
Rennen wir Curvy Blogger eigentlich schon längst offene Türen ein?
Es kommt mir in den letzten Monaten so vor, als hätten wir Curvy Blogger schon Einiges erreicht. Wir müssen (gefühlt?) nicht mehr so kämpfen für stylische Klamotten, wie noch vor ein paar Jahren. Paperbag-Hosen aus Leder, mega-sexy Bikinis, die hinreißendsten Kleider: Wir können sie einfach in unserer Kleidergröße bestellen – wenn auch meist nicht offline im stationären Einzelhandel erwerben. Die Zeit von Kartoffelsäcken aus Leinen ist dafür wirklich längst vorbei.
Es muss auch in der Regel nichts mehr „vorteilhaft“ sein oder „kaschiert“ werden. Trag was dir gefällt lautet das neue Credo. Es kann dabei natürlich helfen, seinen Körper und dessen Proportionen zu kennen, um die Klamotte zu finden, in die du dich schon beim Reinschlüpfen verliebst. Aber Wow-Ausstrahlung kommt in erster Linie von Wow-Wohlfühlen!
Diskriminierung als It-Piece?
Und was macht der geneigte Curvy Influencer dann, wenn er nun nicht mehr offene Türen einrennen möchte? Sucht sich eine neue Baustelle. Mmh… „Ha! Mobbing. Und Diskriminierung. Das ist doch immer aktuell.“ Äh, echt? Aber ist es das im Zeitalter von Ashley Graham und Angelina Kirsch wirklich noch? „Doch, doch. Bestimmt. Und der eine da hat mich früher immer schon „dick“ oder „doof“ genannt. Das ist doch voll gemein!“ Sorry, ich übertreibe ein bisschen. Nehmt es mir bitte nicht übel.
Aber ein wenig fühlt es sich für mich so an, als wäre genau diese Opferrolle gerade das neue Curvy-Influencer-It-Piece. Alle wollen es auf ihrem Körper tragen und sich anschließend wieder medienwirksam davon lossagen.
Von Opfern und Helden
Aber sollten nicht gerade wir als gewissermaßen „Vorbilder“ für unsere Community und blogger-bedingt generell als eher selbstbewusste Menschen da nicht einfach drüber stehen? Uns auf das Positive fokussieren anstatt uns von Negativem klein machen zu lassen? Was sollte es mich heute interessieren, was jemand mal irgendwann vor Jahren und vielleicht nur aus einer Laune heraus zu mir gesagt hat?
Warum soll ich mich davon in eine Opferrolle drängen lassen und das Ganze zu einem so großen Thema aufkochen, wenn es doch offensichtlich der Mobbende selbst sein könnte, der das eigentliche Problem hat? Vielleicht eine schwere Kindheit gehabt? Gerade niemanden zum Knutschen da? Eis ist alle?? Klar, man kann immer nur seine eigene Seite betrachten. Aber da habe ich doch tendenziell eher Mitleid und hinterfrage die Beweggründe des Mobbenden, als dass ich irgendwelche dahingesagten Beleidigungen auf mich beziehen würde. Oder wie seht ihr das?
Aber wie in jedem guten Buch braucht der Held der Geschichte wohl erst ein Hindernis, das es zu überwinden gilt, bevor er glücklich sein darf. Ist das so? Kann ich nicht einfach so glücklich sein? Bin ich dafür zu optimistisch? Geht es nur mir so? Ist es etwa mein Fehler, dass ich mich in meinem Leben nicht habe mobben lassen? SICHERLICH NICHT. Daher habe ich die Kampagne zwar geliked und respektiert, mich aber ansonsten bisher einfach dezent zu dem Thema zurück gehalten.
Warum werden Influencer von anderen Influencern diskriminiert, nur weil sie nicht an einer Kampagne zum Thema Diskriminierung teilnehmen möchten?
Was mich an dem ganzen Thema aber stört ist, wenn man als Mitglied unserer Curvy Community dann dafür ausgegrenzt wird, wenn man sich an dieser Kampagne NICHT aktiv beteiligen möchte und dann dafür auch noch on top beleidigt wird. Kürzlich auf Instagram beobachtet.
Hallo, Freunde? DAS ist Mobbing. Das ist doch genau das, was mit der Kampagne angeprangert wird! Was läuft denn da gerade falsch? Was ist aus unserem unvergleichlichen Zusammenhalt geworden? Aus dem alten Klassenfahrts-Gefühl, aus dem „wir-halten-alle-zusammen“? Bei mir rappelt es da gerade ein bisschen.
Niemand kann leugnen, dass (auch) dicke Menschen diskriminiert werden. Menschen im Allgemeinen werden diskriminiert. Von DUMMEN Menschen. Das sollte der Fokus des Problems sein. Nicht das Dick-Sein.
Ich will keine Curvy-Ecke. Ich will doch nur shoppen!
Und warum poltern jetzt plötzlich alle wieder gegen H&M, obwohl diese Marke sich doch gerade mehr denn je dafür einsetzt, eben KEINE Abgrenzung von Plus Size mehr zu machen? Immerhin geht H&M aktuell mehr als beispielhaft voran wenn es darum geht, große Größen in das reguläre Sortiment einzubinden. Ganz selbstverständlich. Ohne große Kampagne. Einfach weil es richtig ist. Vorbildlich! Ich wünsche mir mehr davon! Das ist für mich nicht diskriminierend sondern genau die richtige Richtung.
Wenn ich es mir recht überlege, will ich gar keine eigene Curvy-Ecke in einem Geschäft mehr. Es ist doch viel diskriminierender, wenn man dafür in eine eigene Abteilung muss, statt einfach im kompletten Sortiment stöbern zu können. Es sollte doch selbstverständlich sein, online oder eben offline Kleidung zu finden, die einem passt und gefällt.
Dafür setze ich mich ein. Und nicht für das Zurschaustellen von Diskriminierungen und ein damit einhergehendes Hindeuten auf angebliche Unzulänglichkeiten. Und auch nicht für die Aufrechterhaltung veralteter Shopping-Lösungen. Konsequenterweise sortiert man dann eben den kompletten Laden nach Größen, oder eben nix.
Wann ist es eigentlich mutig geworden, einen Badeanzug anzuziehen?
Meine Lieben, ich will doch gar nicht viel. Nur eine vermehrte Fokussierung auf das Positive! Auf einen selbstverständlichen Umgang mit dem eigenen Körper! Er ist natürlich dein Tempel, aber eben auch nur eine Hülle für deine Seele. Dick, dünn, kurz, lang… Gib dem Thema doch nicht so eine Wichtigkeit! Lebe!
Was dich ausmacht ist doch viel mehr als deine Äußerlichkeiten. Wie könnte ich denn beurteilen, ob ich einen Menschen schön, interessant oder liebenswert finde, wenn ich ihn nur sehe? Du bist mehr als das. Und deinen Körper für tolle Aktivitäten einzusetzen, hat nichts mit Mut zu tun. Nichts sollte dich dabei einschränken, das zu tun, wonach du Lust hast.
Und ganz ehrlich, was ist das mit dem Tanzen in Bikinis oder Unterwäsche? Ich verstehe es nicht. Und was ist daran „mutig“? Und warum macht es mich zu einem besseren Curvy Blogger, wenn ich für meine Community halbnackt tanze? Klar, ich verstehe es, wenn du einfach Bock darauf hast oder du auf einer Pool Party bist. Dann feiere ich es auch! Das meine ich damit nicht.
Und ich sehe auch den Punkt mit der Selbstverständlichkeit des bisher viel zu lange idealisierten Frauenbildes. Aber dafür muss ich mich doch nicht täglich in meinem Wohnzimmer ausziehen. Ich kann auch angezogen für ein zeitgemäßes Frauenbild stehen. Und es erspart einem sicherlich so einige D*ck P*cks und DMs von Fußfetischisten im digitalen Posteingang…
So ihr Lieben, das musste einfach mal raus. Vielen Dank für’s Zuhören.
Eure Julia